Der Sohn der Kreuzfahrerin. Roman by Stefan Nowicki
Autor:Stefan Nowicki [Nowicki, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: eBooks, Historischer Roman, Mittelalter, Orient, Abenteuer
ISBN: 978-3-95520-807-3
Herausgeber: dotbooks
veröffentlicht: 2015-04-21T16:00:00+00:00
***
Am Abend kamen Nesrin und ihre Eltern vorbei. Tante Nazmin bedankte sich bei Shakib und erzählte seinen nichtsahnenden Eltern von dem Zwischenfall am Morgen.
Onkel Jubair gab ihm einen ledernen Überwurf von der Art, wie ihn die berittenen Soldaten trugen. Er war schwer und bestand aus mehreren Schichten. Die äußerste war gefertigt aus sich überlappenden Schuppen aus hartem Leder, genäht auf eine Lederhaut und zusätzlich von innen mit Stoff gefüttert.
„Den wollte ich dir schon seit einiger Zeit mitbringen. Bei uns liegt er nur herum, und du kannst ihn beim Üben gut brauchen.“
Shakib bedankte sich, wusste aber, dass der Onkel nur scheinbar so tat, als wäre der Lederpanzer eine beiläufige Gabe. Ihm war bewusst, dass Nesrin ihm das Teuerste war und er froh darüber war, dass Shakib sie beschützt hatte.
Schon am nächsten Tag konnte er den ledernen Schutz ausprobieren. Anfangs fühlte er sich darin steif und unbeweglich, doch schon bald gewöhnte er sich daran, und an manchen Abenden, wenn er sich entkleidete und einen blauen Fleck an seinem Oberkörper entdeckte, wurde ihm bewusst, wie sinnvoll dieser Panzer war.
Die friedlichen Zeiten bescherten Haddad ruhige Tage, in denen er mehr Zeit für seinen Sohn hatte. Auch Jubair war häufiger zu Hause, und so beschlossen die Väter, ihre Kinder im Umgang mit Pfeil und Bogen zu unterrichten. Hier trat Shakib in einen ganz neuen Wettkampf mit Nesrin ein. Auch wenn es völlig unüblich war und endlose Wortgefechte zwischen den Männern und ihren Frauen zur Folge hatte, bestand Jubair darauf, seine Tochter an dieser Waffe zu unterweisen. Sie erwies sich als talentierte Schützin, und Shakib musste sich sehr bemühen, um mit ihr Schritt zu halten. Doch letztendlich blieb sie immer etwas zielsicherer als er. Shakib ließ sich nicht entmutigen und war sich sicher, dass Nesrins Erfolge dem leichter zu spannenden Bogen, der ihren Kräften und Möglichkeiten angepasst war, zuzuschreiben waren. Dafür konnte er einen Pfeil viel weiter schießen, und seine Geschosse hatten fast immer eine größere Durchschlagskraft als ihre.
Es waren leichte, unbeschwerte Tage, und nur seine heimlichen innersten Gefühle belasteten den jungen Mann und ließen ihn manchmal schwer einschlafen. Als er eines Abends so auf seinem Lager lag, seinen Gedanken nachhing und über Nesrin grübelte, drangen die Stimmen der Eltern an sein Ohr. Er konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber die Heftigkeit des Wortwechsels legte den Schluss nahe, dass sie eine Auseinandersetzung hatten. Shakib fragte sich, worüber sie wohl stritten, er wollte aber nicht genauer hinhören. Außerdem hatte er jetzt ganz andere Sorgen. Vater und Mutter würden sich wieder vertragen. Es war nicht das erste Mal, dass die beiden unterschiedlicher Meinung waren. Er legte sich auf die Seite, so konnte er die Geräusche nur noch mit einem Ohr wahrnehmen. Mit einem Seufzer schloss er die Augen, und sofort erschien das Bild Nesrins.
Wie empfand sie wohl? Dachte sie auch so häufig an ihn? Diese und ähnliche Fragen beherrschten ihn, bis der Schlaf schließlich alle Gedanken verschwimmen ließ.
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